„99 Stunden flotte Berichte, Suchanzeigen und vor allem Beat“ waren die Losung dessen, was als „Sonderstudio Deutschlandtreffen 1964“ begann und aufgrund des immensen Erfolgs wenige Wochen später als „Jugendstudio DT64“ zum festen Bestandteil des Berliner Rundfunks wurde. Obwohl Erich Honecker bereits auf dem 11. Plenum des ZK der SED im Dezember 1965 scharfe Kritik übte, stand die Abschaltung des Programms nicht zur Diskussion. Vielmehr sollten die Inhalte umso stärker vorgegeben werden. Andererseits gehörte es zum Profil des Senders, dass ein Großteil der Sendungen live ausgestrahlt wurde und die Hörer sich oftmals per Telefon an den Diskussionen im Studio beteiligen konnten. Nach dem Mauerfall informierte DT64 kritisch über die aktuellen Entwicklungen und funktionierte darüber hinaus als überregionales Forum zum Austausch von Meinungen, Erfahrungen und Zweifeln.
Als sich nach der Vereinigung der beiden deutschen Staaten abzeichnete, dass DT64 bis Ende 1991 entweder in eine öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalt überführt oder abgeschaltet werden würde, kam es zu Massendemonstrationen ungeahnter Dimensionen.
“Daß der Sender mir fehlt, hat mit den alten Zeiten zu tun. Nicht etwa damit, daß er mutiger war als alle anderen Medien in diesem Land. Er war es nicht. Jugendradio hat die Botschaften lustiger verpackt als das Neue Deutschland, nicht mehr. Weil nicht mehr drin war. (...) Aber die Leute an diesem Sender haben sich, und das ist schön, nicht so leichtfüßig von der DDR verabschiedet wie andere. Es war ihre späte Chance Charakter zu zeigen. Sie haben sie genutzt. (...)
Und heute sitze ich nun da und bin zu träge, mir eine Antennenanlage zu basteln, um DT64 auf Mittelwelle zu bekommen. Ich kann mir alle CDs und LPs kaufen, die ich haben will. Doch so richtig zufrieden macht mich das nicht. Ich habe keinen Sender mehr. Ich habe ihn schon viel früher verloren. Doch so richtig begreife ich das erst jetzt.”
Alexander Osang: “Keinen Sender mehr”
Andreas Ulrich, Jörg Wagner (Hrsg.): DT64 - Das Buch zum Jugendradio, Thom Verlag, Leipzig 1993
"Das Deutschlandtreffen stand vor der Tür, und wir sagten uns, es ist das beste, wir gehen raus aus dem Funkhaus, wir gehen dort hin, wo junge Leute zusammenkommen. (…) Wieder einmal bewies der Rundfunk seine besondere Stärke, die darin besteht, daß er der schnellste sein kann, unmittelbar dabei, original, direkt. Zum ersten Mal hatte die Jugend einen Sender und nicht nur das – sie gestaltete auch sein Programm mit.
Einige sehr Kluge sagten uns: Kunststück, ihr mit eurer heißen Musik – damit habt ihr doch alles erreicht. Wir meinen: Ohne heiße Rhythmen geht es bei der Jugend nicht. Wenn ich einmal den Gedanken des Jugendkommuniques abwandeln darf: Jemand hat einmal gesagt, wer im Kopf klar ist, darf auch mit dem Hintern wackeln.
Natürlich kommt der Musik eine bestimmte Rolle zu. Das Ausschlaggebende aber war das, was wir der Jugend zu sagen hatten, die politische Angriffslust, die Tatsache, daß wir den Freunden, die diskutierten, Argumente in die Hand gaben und dem Gegner konterten. Der Gegner war ohnehin überrascht.
Die Erfahrungen lehren uns, es ist einfach nicht wahr, wenn behauptet wird, die Jugend sei an Politik nicht interessiert. Richtig ist: Die Jugend ist an langweilig dargebotener Politik nicht interessiert.”
Siegmar Krause: “DT64 – Berater, Freund und Anwalt der jungen Generation”
Deutscher Demokratischer Rundfunk, Bildungszentrum Berlin: Rundfunk Journalistik in Theorie und Praxis, 1 / 1965
"Wir, Mitglieder der Gewerkschaftsgruppe Produktion von JUGENDRADIO DT64 möchten eingangs feststellen - wir lieben unser Land und wünschen, daß alle Menschen, die in ihm leben, unsere sozialistische Gesellschaft weiter voranbringen können. Gerade deshalb sind wir sehr besorgt über den gegenwärtigen Zustand in unserer Republik. Die Abkehr zehntausender Menschen vom realen Sozialismus in der DDR macht uns Angst. Dieses tragische Geschehen lediglich als westlich gesteuerten Menschenhandel zu bezeichnen, erachten wir als einseitig, dadurch unglaubwürdig und argumentatorisch primitiv.
Warum mißachtet man die eigentlichen inneren Ursachen? Wo bleiben griffige Argumente, die uns Hoffnung und Anleitung für die Zukunft geben? Warum gibt man humanistisch eingestellten, andersdenkenden Gruppen in der DDR nicht die Möglichkeit, sich öffentlich zu äußern? Fehlen die Argumente, um sich mit ihnen auseinanderzusetzen?
Wir begrüßen, daß Bürger in basisdemokratischen Gruppen aktiv werden wollen. Warum können sie sich nicht in unserem Medium Rundfunk wiederspiegeln? Nur so könnte man feststellen, ob sie konstruktiv arbeiten wollen.
Wann endlich stellen sich die verantwortlichen Politiker unseres Landes öffentlich den Fragen nach den Ursachen und Lösungen der bestehenden Probleme und Widersprüche?
Es ist für uns Rundfunkmitarbeiter beschämend, wenn sich DDR-Bürger (Künstler, Schriftsteller, Wissenschaftler) der Westmedien bedienen müssen, um bei der eigenen Bevölkerung Gehör für ihre ehrlichen und progressiven Absichten zu finden. Mit der derzeitigen Medienpolitik arbeiten wir dem Gegner zu. Was haben wir eigentlich noch für eine Funktion?"
Resolution der Gewerkschaftsgruppe Produktion von Jugendradio DT64 vom 28.09.1989