Mittwoch, 18.11.09
20.00 Uhr

LOCKRUF
ABSCHALTUNG DER DT64 FREQUENZEN ZUGUNSTEN DES RIAS.
CHRONOLOGIE DER EREIGNISSE UND HÖRERREAKTIONEN.

Sendung vom 10.09.1990

Am Nachmittag des 7. September 1990 sagte Christoph Singelnstein, seit kurzem geschäftsführender Intendant des Rundfunks der DDR: „Noch vor einem Jahr standen Radio DDR und RIAS in unterschiedlichen politischen Lagern. Nachdem im Zuge der Perestroika in der Sowjetunion die Völker Osteuropas und natürlich auch das ganze deutsche Volk zu einer Selbstbestimmung finden, können sich die Medien der DDR demokratisch erneuern.“ Er sprach von Arbeitsgruppen, in denen der RIAS „beim Aufbau eines pluralistischen und demokratischen Rundfunks“ helfen soll. Das Ziel beschrieb er als ein „neues nationales Hörfunkprogramm, in dem das Zusammenwachsen der beiden Teile Deutschlands journalistisch begleitet wird“. Gleichzeitig würde es auch für DT64 eine Perspektive geben, sobald die rechtlichen Grundlagen geschaffen seien, damit der Sender als Kommerzsender in Berlin-Brandenburg weitergeführt werden könne.
Der damalige stellvertretende DT64-Chefredakteur Roland Schneider erklärte der Ostberliner Zeitung “Sonntag”: “Mittels eines Vertrages, ausgehandelt vom geschäftsführenden DDR-Rundfunkintendanten Singelnstein und RIAS-Intendant Dr. Drück, sollten am 7. September 12 von 18 Frequenzen unseres Programms an RIAS 1 gegeben werden. Genau 24 Stunden waren wir außerhalb des Großraums Berlin/Brandenburg nicht zu hören. Dann mußte der genauso gefoppte Medienminister Müller den Piratenakt rückgängig machen. Inzwischen weiß ich, daß der von Herrn Singelnstein betriebene Handel nach seiner Meinung dem Erhalt von Arbeitsplätzen und des Standorts Nalepastraße, der ja wirklich akut gefährdet ist, dienen sollte. Doch wohin eine solche Brachialaktion, vorbei an Belegschaft, Hörern und Öffentlichkeit führt, haben wir gesehen: Mit zehntausenden Unterschriften, Briefen, Telegrammen und selbst Paketen innerhalb weniger Tage haben Leute, übrigens auch aus der Bundesrepublik und Westberlin uns Mut gemacht. Demonstranten gingen in Leipzig und Schwerin auf die Straße, in Dresden ruhte deshalb für Stunden der innerstädtische Verkehr, junge Leute hielten eine Mahnwache vor den Sendemasten in Marlow, und vor dem Ministerrat in Berlin traten dreizehn Hörer für ihr Programm in den Hungerstreik.”

Dialog mit ROLAND SCHNEIDER UND HEIKO HILKER

Im Anschluss an die Präsentation der Sendung vom 10.09.1990 sprechen Roland Schneider und Heiko Hilker über das außergewöhnliche Engagement der DT64-Hörer und die Entwicklung einer ganz besonderen Beziehung zwischen Sendern und Empfängern.

Roland Schneider war von 1978 - 1981 Nachrichtenredakteur beim Rundfunk der DDR und von 1981 - 1991 als Redakteur und Moderator bei DT64, davon die letzten zwei Jahren als Stellvertretender Chefredakteur. Danach arbeitete er ab 1992 als Redaktionsleiter Kultur bei Antenne Brandenburg. Heute ist er beim Kulturradio des RBB tätig.
Heiko Hilker wirkte ab Juli 1991 im Dresdner DT64-Freundeskreis mit und war Mitbegründer des bundesweiten Netzwerkes der Initiativen zum Erhalt von DT64 "Freundes des Jugendradio DT64 e.V.".
Von 1994 bis zum Sommer 2009 war er Mitglied des Sächsischen Landtages und im MDR-Rundfunkrat.